Völkerpsychologie: Bd., 1-3. T. Mythus und Religion. 1905-09

Front Cover
W. Englemann, 1906
 

Other editions - View all

Common terms and phrases

Popular passages

Page 179 - ... der Krankheit überfällt, so sind die Empfindungen und Gefühle, die er erlebt, allerdings ungewohnte. Aber völlig neu sind sie doch keineswegs. Verwundungen im Kampf, Verletzungen und mancherlei im gewohnten Lauf des Lebens sich ereignende Unfälle haben ihm mannigfach schon Schmerz und Schreck gebracht. Dennoch gehören diese für ihn, gerade so wie der Wechsel von Tag und Nacht, von Hunger und Sättigung, so lange zu den selbstverständlichen Erlebnissen, als bei ihnen die äußeren Umstände...
Page 206 - Ein interessantes Objekt dieser Art, allerdings nicht ein eigentliches Amulett, aber jedenfalls ein wie dieses zum Zauberschutz angewandtes Mauerrelief teilt in Abbildung Otto Jahn mit. Es stellt einen geflügelten und mit den Füßen eines Raubtiers versehenen Phallus dar, eine merkwürdige Verbindung zugleich von inkorporierter Psyche und Körperseele. Vgl. O. Jahn, Über den Aberglauben des bösen Blicks bei den Alten, Berichte der Ges. der Wiss. zu Leipzig. PhiL-hist. Kl. 1855, S. 28 ff. (Abbildung...
Page 304 - Ursprünglich nichts anderes als die objektiv gewordene Furcht vor der in dem tabuierten Gegenstand verborgen gedachten dämonischen Macht, verbietet das Tabu, diese Macht zu reizen, und es gebietet, wo es wissentlich oder unwissentlich verletzt worden ist, die Rache des Dämons zu beseitigen.
Page 98 - ... Umgebung stammenden seelischen Erregungen zugleich zu sinnlichen Erregungen, also zu Halluzinationen und Illusionen werden. Nicht minder unzulänglich wäre es dagegen, wenn man nun umgekehrt das Wesen der Prophetie bloß in die Halluzination und Sinnestäuschung verlegen wollte.
Page 29 - Er hat mich umgeben mit seinen Schützen ; er hat meine Nieren gespalten, und nicht verschonet ; er hat meine Galle auf die Erde geschüttet. Er hat mir eine Wunde über die andere gemacht; er ist an mich gelaufen wie ein Gewaltiger.
Page 297 - Beziehungen zu dem primitiven Animismus. 4. Das Tabu und der Ursprung der Sühnezeremonien. a. Die Tabugebote. Das polynesische „Tabu" gehört, ähnlich dem Totem der Indianer, zu den wenigen, aus Sprachen der Naturvölker entlehnten Wörtern, die in verhältnismäßig kurzer Zeit in alle europäischen Sprachen übergegangen sind; ja das Tabu darf sich einer noch vollständigeren Aufnahme rühmen als das Totem, das außerhalb des Bereichs ethnologischer Schilderungen kaum vorkommt, indes jenes...
Page 92 - Erscheinungen zusammenfassen, die teils als echte Traumbilder, also im Schlafe, teils aber auch in Zuständen ungewöhnlicher zentraler Erregbarkeit im Halbschlaf, in der Hypnose oder bei wachem Bewußtsein eintreten, und die darin übereinstimmen, daß sie mit voller Deutlichkeit Situationen, Personen und Ereignisse vorspiegeln, die entweder in die Zukunft oder aber auch an einen fernen Ort im Raume verlegt werden.
Page 308 - ... beseitigen ist. So galt ein Tempel, ein Götteridol oder auch das Haus eines Häuptlings für absolut unverletzlich; aber das auf der Berührung einer Leiche oder auf dem Essen gewisser Speisen ruhende konnte im Notfalle aufgehoben werden. Hiernach scheint vor allem da, wo wir diese Wechselbegriffe des Heiligen und des Unreinen einigermaßen noch in ihrer Entstehung beobachten können, ihr Gegensatz mit der Aufeinanderfolge zweier mythologischer Stufen zusammenzufallen, von denen die frühere...
Page 178 - ... jene meteorologischen Ereignisse, die sich dem gewohnten Lauf der Dinge nicht einfügen, wie das Gewitter, der ersehnte Regen, die Überschwemmung, sie rücken erst dadurch in gleiche Linie mit den direkt den Menschen treffenden Unfällen, daß sie auf ihn zurückwirken und so die nämlichen Affekte von Furcht und Schrecken wachrufen. Angesichts der völkerpsychologischen Tatsachen könnte man also David Humes bekannte Kausalitätstheorie vollständig umkehren. Nicht die regelmäßige und gewohnheitsmäßige...
Page 309 - ... Wesen. Diese Erscheinung zieht sich durch die Geschichte aller Religionen, und so enthält ja noch unser heutiger Volksglaube Spuren nicht nur uralten Dämonenglaubens, sondern insbesondere auch solcher Formen desselben, die an gewisse, für dämonisch geltende Objekte geknüpft sind. (Vgl. oben S. 382 ff.) So liegt es denn nahe genug, in dem Ursprung jener Scheidung der Vorstellungen des Heiligen und des Unreinen eine der ersten Wirkungen des in aller Mythologie sich bewährenden Gesetzes zu...

Bibliographic information